am Sonntag, den 2. Januar Anno Domini 2000

Nur der anfangs offene Sarg, in dem der aufgedunsene Körper des Onkels lag, sorgte bei Werner für Herzklopfen. Das Gesicht des Alten wirkte bei allem Fett erschreckend schön, **wenn es leichenblaß **war. Doch **was für den eigentlichen Schock sorgte, **waren die **weit geöffneten Augen des Onkels: Werner fühlte den starrenden Blick des Onkels, dessen Augen inzwischen nicht mehr natürlich **weiß **waren, sondern einen matten aber stechenden Gelbton hatten. Sie lagen bestimmt gut einen halben Zentimeter tiefer als gewöhnlich, **was ihnen zusätzlich ein etwas strenges Aussehen gab. Der Bestattungsunternehmer hatte die Leiche **wohl lediglich in den gewünschten Sarg umgebettet und eingekleidet, bei allem Eifer aber nicht mehr auf die Augen geachtet, die für Gewöhnlich schon geschlossen sind, **wenn er an einer Leiche zu arbeiten beginnt. Das Ganze **war also ein Fehler der Autopsie. Werner schaute verunsichert zur alten Dame herüber und strekte dabei seine Hand **wohl etwas zu nahe ans Gesicht des Onkels, während er doch bloß in die Richtigung von der toten Augen deuten **wollte. Im Hintergrund hörte er jemanden, der lauter als beabsichtigt murmelte, er solle doch **wenigstens die Leiche in Frieden lassen, darauf kurze Zeit verlegenes Hüsteln und vorwurfsvolle Blicke in Richtung des vorlauten Murmelers, dann endlich andächtige Stille, nachdem die alte Dame den Sarg schnell aber vorsichtig geschlossen hatte, ohne daß dem Onkel die Augen zugedrückt **worden wären. Später meinte sie hierzu, daß ihrem Mann ohnehin immer offene Augen lieber gewesen seien und man ihn daher ruhigen Gewissens - immer noch sehend und beobachtend - beerdigen könne.
Die alte Dame wirkte unter ihrem viel zu großen schwarzen Hut inzwischen wieder viel zu gefaßt und zu **wenig betroffen. Werner begann das Gerede der restlichen Gäste zu fürchten, sollte sie nicht endlich einmal ihr Taschentuch benutzen.