am Donnerstag, den 30. Dezember 1999

Trotz tagelanger Bemühungen um eine bessere Innenarchitektur herrschte in Werners Studentenbude noch immer die Atmosphäre mancher **Waschküche. Und dies lag nicht nur an seinen beschränkten finanziellen Möglichkeiten, sondern auch an einer gewissen Ungeschicklichkeit beim praktischen Umsetzen von ästhetischen Vorstellungen.

Jedenfalls hatte er ein recht unangenehmes Gefühl, als es an seiner Tür
klopfte, während er gerade noch versuchte, eines der neuen Regale zu montieren. Denn **wenn sein Zimmer schon nicht zum **Wohnen geeignet **war, dann erstrecht nicht zum Empfang von Besuchern.


Der Mann, der nun in Werners Tür-
rahmen stand, **war ihm auf Anhieb unsympathisch. Werner vermutete, daß es **wohl an jener unpassenden Kombination aus rotem Vollbart und Krawatte liegen müsse. Sein erster Eindruck bestätigte sich jedenfalls überraschend eindeutig, als ihn der Bärtige ohne jede Umschweife in knappen **Worten über den Tod seines Onkels in Kenntnis setzte. Zunächst **war Werner tatsächlich nur über die ungewohnte Taktlosigkeit des Bärtigen entsetzt. Doch schnell **wurde ihm die mögliche Tragweite eines solchen Geschehnisses bewußt:
Seine freudige Erregung unterdrückend versuchte er, sich die richtige Mimik des Schocks anzueignen, wie er sie aus zahlreichen Fernsehkrimis kannte. Und gerade durch die Unbeholfenheit, die Werner hierbei an den Tag legte, wirkte seine gespielte Trauer sehr realistisch.

Erst als sich der Bärtige als Beamter bei der Kripo vorstellte, **war das Entsetzten echt. Werners Brille rutschte langsam seinen feuchten Nasenrücken herunter und es sammelte sich unangenehm viel Speichel in seinem Mund, so daß er ständig schlucken mußte. **Was sollte die Polizei mit dem Tod seines Onkels zu tun haben? Werner hoffte, wieder etwas gelassener zu wirken, während er diese Frage stellte.