am Donnerstag, den 6. Januar 2000

Der Bärtige hielt seinen hochroten Kopf dicht über den vermeintlich Drohbrief: "keine Entlassungen mehr", sonst geht's Dir wie deinem Onkel. Werner überlegte, ob er den Kriminologen nicht vielleicht doch überfordert habe. Schließlich hatte er ihm mehr oder **weniger offensichtlich sich selbst von jedem Verdacht befreit, aber dafür als Entschädigung zwei ganz neue Kandidaten ins Spiel gebracht.
Langsam schaute der Bärtige also auf, schaltete sein Tonbandgerät wieder aus und meinte lapidar, er müsse sich bedanken, durch diese etwas verspäteten Offenbarungen ergebe sich eine ganz neue Sachlage. Hierauf **warf er einen flüchtigen Blick erst auf die Türe,
dann auf Werner und schien jetzt wieder konzentriert in einer Akte zu lesen. Werner **wußte diese Geste richtig zu deuten und verabschiedete sich höflichst, obwohl ihn die letzte Unfreundlichkeit des Bärtigen ein **wenig kränkte. Er

konnte

nicht verstehen **warum der Kriminologe kein bisschen Dankbarkeit oder Freunde zeigte, schließlich hatte er doch gerade so geschickt bei der **Wahrheitsfindung mitgeholfen, daß sich der Bärtige endlich auf die **wahren Verbrecher unter Werners Verwandten und Angestellten konzentrieren
konnte.

Vielleicht glaubte ihm der bärtige Kriminologe garnicht. Werner blieb stehen und mußte sich am Treppengeländer festhalten, sein Atem **wurde schwer, so daß ihn langsam das Gefühl beschlich von dieser inneren Last zu Boden gezogen und erstickt zu **werden. Von überallher schienen ihn plötzlich mißtrauisch strenge Menschen zu beäugen, besonders stechend **waren die Blicke der vorbeieilenden Schutzpolizisten. Werner fühlte sich durchschaut, doch seinen Fluchtinstinkten konnte **wegen dem Gewicht auf seinem Atem nicht mehr folgen. Er dachte daran, mit **welcher Leichtigkeit er gelogen hatte und begann sich heftig zu schämen. Werner **war dankbar, daß sein Gehirn so gut funktionierte, daß es ihm in solchen Situationen seine Paranoia zu erkennen half. Er versuchte es sich also immer wieder klar zu machen: "Das ist alles nur Einbildung, niemand hat etwas gemerkt, Du hast alles im Griff, das ist nur Einbildung, ein psychischer Ausfall, Du bildest Dir die Blicke der anderen nur ein, keiner will Dir **was böses, alle harmlos, **warum stehst Du eigentlich so unter Stress, Du hast eben doch garnicht gelogen, alles im Griff, keiner hat **was gemerkt?!" Doch erst als er die Polizeidienststelle in gewollt schlenderndem Gang, der ihm nur unter Aufbieten von enormer Selbstdisziplin gelang, hinter sich gelassen hatte, konnte er wieder einigermaßen durchatmen. Werner **war erschöpft.