1. am Freitag, den 31.12.1999

Als Werner die Stimme seiner Tante hörte, rutschte ihm versehentlich ein "herzliches Beileid" heraus; zwischen trauernden Angehörigen **war das ja eigentlich unangebracht. Die Tante sah jedoch über die kleine Peinlichkeit hinweg, fragte nach Werners Gesundheit und meinte auf seine entsprechende Frage, daß sie seine Hilfe durchaus brauchen könne. Werner **war glücklich, diese Hürde so einfach genommen zu haben, und rief sich sofort ein Taxi.
Werner betrachtete sein rundes rotes Gesicht im Spiegel und begann sich über dem **Waschbecken in der Ecke seines kleinen Zimmers sorgfältigst zu rasieren, **was eigentlich garnicht nötig gewesen wäre. Auch mit der Auswahl seiner Kleidung verbrachte er heute mehr Zeit als sonst.
Die Tante sollte sich nicht wieder über seine Geschmacklosigkeit diesbezüglich auslassen. Er haßte es von der alten Dame immer wieder **wegen solcher Oberflächlichkeiten reglementiert zu **werden und paßte sich deshalb von sich aus den Vorlieben der Tante an.
Natürlich kam das Taxi viel zu früh und Werner mußte auf das Tragen der Krawatte verzichten. Nichts **war ihm peinlicher, als bei seinen ungeschickten Versuchen akzeptable Knoten zu fabrizieren beobachtet **werden und sei es nur durch einen Taxifahrer.
Über der Stadt lag erstmals ein zarter Hauch von Frühling, der Schnee der letzten **Wochen **war fast gänzlich verschwunden und die niedrig über dem Horizont stehende Sonne machte herrlich lange Schatten. Dieses Wetter besserte Werners Laune mehr und mehr; zufrieden schaute er aus dem Fenster des **Wagens und langsam keimte in ihm jener erfolgsgewisse Tatendrang, der wirklich nur in der ersten Frühlingszeit aufkommen

konnte .