am Sonntag, den 2. Januar Anno Domini 2000

Werner machte sich klar, daß der Bärtige beginnen würde, die Familie über ihn und seine Beziehung zu dem Onkel auszufragen. So beeilte er sich, dem Bärtigen wieder ins Haus zu folgen, auch **wenn seine Knie eigentlich noch viel zu **wacklig **waren, um bewegt zu **werden.
Werner bemerkte die Enttäuschung des Bärtigen, als dieser die leeren Tortenteller entdeckte. Schließlich schien der Kriminologe jedoch noch **wenigstens eine Tasse Kaffee ergattert zu haben, schritt darauf zur alten Dame und sagte mit einem **warmen Händedruck "herzliches Beileid". Der Bärtige **wendete sich nun aber zielstrebig den übrigen Gästen zu: Sein erstes Opfer schien der Arzt des Onkels zu sein. Werner setzte sich nicht **weit von beiden zu einem seiner Cousins. Der junge Mann begann lebhaft über seinen Motorradwunsch zu reden und Werner, der ihn interessiert anschaute und immer wieder einmal nickte,

konnte

auf diese Weise unauffällig einige Gesprächsfetzen aufschnappen, die vom Bärtigen herüberwehten. Der bärtige Kriminologe stellte sich nicht vor, erweckte also den Anschein, er gehöre zur Familie. Werner ärgerte sich über diesen eigentlich doch unfairen Trick, eine Vertrauensbasis zu schaffen um mehr Details recherchieren zu
können.

Werner überlegte, ob er den Bärtigen vielleicht doch noch begrüßen und bei der Gelegenheit als Polizisten vorstellen solle. Der Bärtige drückte sein Bedauern über den Tod des Onkels aus, füllte erneut das Sektglas des Arztes und schüttelte über die ach so tragischen und unglücklichen Todesumstände den Kopf. Werner ärgerte sich über die Taktlosigkeit des Arztes, zu diesem Anlaß Sekt trinken zu **wollen. Nachdem nun wieder etwas Schaumwein in den Hals des Arztes gestürzt **war, nickte dieser nachdenklich, lächelte wissend, schaute zu dem Bärtigen auf und legte ihm schließlich tröstend die Hand auf die Schulter. Vielleicht sei ein Unfall in diesem Fall die angenehmer Todesursache gewesen und habe dem alten Onkel viel Unannehmlichkeiten erspart. Werner runzelte die Stirne; ihm **wollte nicht einfallen, **was hiermit gemeint sein könnte. Der Bärtige zog ebenfalls fragend die Augenbrauen hoch und so berichtete der Arzt von dem Darmkrebs des Onkels, der schon in so fortgeschrittenem Stadium gewesen sei, daß der Onkel bestenfalls noch einen oder zwei Monate ohne Pflege ausgekommen wäre. Der Onkel habe sich mit Temperament einer darmverkürzenden Operation verweigert. Mit gutem Zureden, Drohungen und Bitten sei bei dem alten Starrkopf nichts zu machen gewesen und zwingen könne man den Patienten ja leider auch nicht. Der Alte habe **wohl einen Teil der Familie aus irgendeinem Grunde nicht informieren **wollen und bis zum Schluß die Schmerzen nicht gezeigt, sondern lediglich seine Essensgewohnheiten umgestellt. Erstaunlich selten habe er ein Schmerzmittel genommen, so daß die Medikamentierung mit Morphium erst vor etwa zwei **Wochen begonnen **werden mußte.